"Erlkönig"

 

Ein Gedicht

von

Johann Wolfgang von Goethe

(1749-1832),

vorgetragen von Gudrun Clay, Eric Zelt und Lawrence Glatz.


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Erzähler:

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. -

 

Vater:

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -

 

Sohn:

Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?-

 

Vater:

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.-

 

Erlkönig:

"Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;

Manch bunte Blumen sind an dem Strand;

Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

 

Sohn:

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,

Was Erlenkönig mir leise verspricht?-

 

Vater:

Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!

In dürren Blättern säuselt der Wind.-

 

Erlkönig:

"Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?

Meine Töchter sollen dich warten schön;

Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn

Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

 

Sohn:

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort

Erlkönigs Töchter am düstern Ort?-

 

Vater:

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau;

Es scheinen die alten Weiden so grau.-

 

Erlkönig:

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;

Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt."

 

Sohn:

Mein Vater, mein Vater, jetzt fast es mich an!

Erlkönig hat mir ein Leids getan!-

 

Erzähler:

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,

Er hält in Armen das ächzende Kind,

Erreicht den Hof mit Mühe und Not;

In seinen Armen das Kind war tot.


Das Gedicht ist eine Ballade mit acht Strophen. Vier Rollen sind in der Ballade vertreten: die Stimme eines Erzählers, die des Vaters, die des Sohnes und die des Erlkönigs. Diese Aufteilung ermöglicht eine große Spannung. Obwohl der Sohn den Erlkönig klar sieht, muß der Vater eine sachliche Erklärung dafür geben: es ist nur die Natur, die sein sterbender Sohn im Fieber personifiert. Was dem Kinde wahr erscheint, will der Vater als rationaler Mann nicht erkennen. Goethes Gedicht stellt die oft als heil und friedlich erscheinende Welt in Frage: ist die Macht der Natur eigentlich wirklich mystisch, vielleicht an sich böse, wie der Sohn im Sterben sie betrachtet?

 

The poem is a ballad with eight stanzas. Four roles are presented: the voice of the narrator, that of the father, that of the son and that of the Elf King. This division creates a great tension. Although the son clearly sees the Elf King, the father has to give it a factual explanation: it is only Nature, which the son personifies in a fever. What appears real to the son, the rational father doesn't want to accept. Goethe's poem brings the seemingly normal and peaceful world into question: is the power of Nature actually truly mystical and perhaps intrinsically evil, as the dying son perceives it?



 

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Last modified: May 1, 2012.