Thomas Bernhard (1931 - 1989)
Ausgeliefert (Erzählung, 1978)
Der sogenannte Ofner, Gemeindearbeiter,
Totenansager, hat, um, wie ihm unser Arzt gesagt hatte, das Leben
seiner lungenkranken Frau zu retten, mit dieser zusammen ein kleines
Waldgrundstück in unserer Nähe erworben, in nebelfreier
Höhe und guter Luft, und die beiden hatten sich in
jahrlänger Arbeit, naturgemäß auch von der Gemeinde
und von der unmittelbaren Nachbarschaft unterstützt, auf dem
Grundstück ein kleines Haus gebaut. Wie aber das Haus fertig
gewesen war, erkrankte der Ofner, weil der Hausbau über seine
Kräfte gegangen war, und verstarb binnen kurzem. Seine Witwe,
für die schließlich das Haus am Waldrand bestimmt gewesen
war und die sich tatsächlich und selbst nach dem Tod ihres
Mannes zusehends nicht nur an der Lunge erholt hatte, mußte
sich einen Hund anschaffen, weil sie sich naturgemäß jetzt
allein zu fürchten hatte. Der Hund hatte jeden, der sich ihrem
Hause auch nur auf zweihundert Schritte näherte, verbellt, und
es hatte sich mit der Zeit niemand mehr in die Nähe des Hauses
getraut. Jahrelang hat es die Frau auf diese Weise mit dem Hund
allein und ganz ohne Menschen ausgehalten, auf einmal, von einem
Augenblick auf den andern, hat sie diesen Zustand nicht mehr
aushalten können und ist hinausgegangen und hat den Hund, der
ihr so viele Jahre treu gedient hatte, mit einem sogenannten Sappel,
mit welchem die Blochzieher blochziehen, erschlagen und sich den
Menschen ausgeliefert.
Sappel - heavy metal tool for holding and
moving ice blocks, or large tree trunks or branches