Barbara Frischmuth (1941 -  )

 

Bindungen (Erzählung, 1980)

 

Ich gehe im Zimmer auf und ab. Das Geräusch meiner Schritte dröhnt mir im Ohr, ich ziehe die Schuhe aus, aber selbst dann; da lege ich den einen Flickenteppich über den anderen, nun wieder gefangen im Kreis, den ich lange nicht durchbrechen kann.                                                        

Arbeiten. Natürlich arbeiten. Ich bin nicht im Sanatorium. Die Zigaretten, die Brille, Papier. Schon die Bücher sind nur mehr Attrappen. Aber wie hineinfinden, wenn man aus allem herausgerißen ist? Wie einer Arbeit nachgehen, wenn man sie hinter sich erlaßen? Wenn man kaum mehr ans Papier glaubt? Der Weg zum Tisch hin ist so lang geworden.

Nur die Astlöcher im Fußboden sprechen, dieses bloße, versiegelte Holz, und Scheu überkommt einen, darauf herumzutrampeln. Nichts ist da von der Regelmäßigkeit eines Fliesenmusters, blaue und weiße Rhomben etwa, auf die man steigen oder nicht steigen könnte. Die Unwiderstehlichkeit, sich Gesichter auszudenken und dann in sie hineinzutreten.

Suche ich nur nach einem Alibi, um nicht schon wieder an der Luft sein müssen? Warum bist du nicht an der Luft? Du brauchst Luft, die Luft wird dir guttun. Als wäre im Haus gar keine Luft.

Die Luft, diese Luft in den Bergen, die Waldluft, die Kühle, die von den Seen und Bächen herweht.

Ich könnte in keiner Stadt mehr leben, sagt Malwine, ich muss spüren, wie das Gras wächst. Wenn ich genau hinschaue, kann ich den Kreis meiner Schritte in den übereinanderliegenden Flickenteppich sehen. Ich würde mir gerne eine Zigarette anzünden. Manchmal helfen Gesten. Wenn ich innehalten und langsam den Rauch ausblasen kann. Konzentration, das ist es, was mir fehlt, was ich mir erzwingen möchte. Schon beim Griff nach dem Feuerzeug weiss ich. Dass sie mir nicht schmecken wird. Wiederum ein Vorsatz durchbrochen. Die Reizung der Schleimhäute für den ganzen Tag, danach die suchtgemässe Wiederholung des Vorgangs.

Rauchend lehne ich am Fensterbrett, und da kommt die Landschaft meinen Wünschen schon wieder entgegen. Der Hang, aus dem das Haus hervorwächst, den Wald im Rücken. Das Geräusch des Baches schräg hin zum Wald, dem Bach folgend.

Doch spazierengehen. Durch den Wald hinauf, in der Schwüle dann ins Schwitzen kommen, einen Baum fallen hören und das erneute Dröhnen der Motorsäge.

Vorsichtig asche ich zwischen die Fuchsienstöcke. Für Sekunden kann sich die Sonne Freispielen, noch steigt Nebel an den Bergen hoch, wie nasser Hauch. Mein Blick verfängt sich im Grünen. Da geht mir etwas durchs Bild, und für Sekunden krampft sich mir das Herz zusammen...